Digitalisierung: Von der Trommel zum Smartphone

Digitalisierung: Von der Trommel zum Smartphone

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Afrikanische Frau als Mensch-Maschine

Digitalisierung, Forschung, Technik und Innovation, das bringt Fortschritt und darin sieht man, wozu der Mensch imstande ist. Nämlich Unvorstellbares zu vollbringen.
Manchmal denke ich sogar, dass Gott der Mensch zwar aus dem Paradies vertrieben, ihn jedoch mit der Intelligenz ausgestattet hat, den Weg dorthin zurückzufinden. Dies ist zum Beispiel der Fall mit der Digitalisierung.

Im Jahr 1996 führte ich eine Diskussion mit meinem Lehrer über den Film Knight Rider 2000. Es ging darum, wie nah Science-Fiction-Filme an der Realität sind. Denn obwohl ich Knight Rider 2000 sehr faszinierend fand, so blieb er dennoch für mich ohne jegliche Botschaft, weil fast alles, was sich darin abspielte, in der Realität unmöglich zu sein schien. Sprich ein sprechendes und ein Selbstfahrendes Auto. „Sie werden sich wundern. Das alles wird nicht bei der Fiktion bleiben. Bald wird es sogar möglich sein, mit jemandem zu telefonieren und ihn gleichzeitig auf dem Bildschirm zu sehen.“ So kündigte mir mein Lehrer die Digitalisierung damals an. Ich hielt dies für unvorstellbar und stempelte es, daher als Hirngespinst ab. Das ist nicht nur längst Realität. Es kam sogar noch mehr. Von Smartphone und selbstfahrende Autos über Blockchain bis hin zur künstlichen Intelligenz übertrifft sich der Mensch immer wieder selbst.

WhatsApp vs. Trommel

Als Kind liebte ich das Dorf. Mich auf dem dort aufzuhalten, war für mich das Größte. Ich konnte die Ferien kaum erwarten, um endlich wieder im Dorf zu sein. Meinen Geschwistern ging es genauso. Dadurch, dass es keine Schulinfrastruktur in unserem Dorf gab, lebten wir während der Schulzeit in Mbalmayo. Eine etwa 50 Kilometer von unserem Dorf Benebalot entfernte Stadt. Dort arbeitete mein Vater und meine Geschwister und ich besuchten die dortigen Schulen. Sobald die Zeugnisse ausgegeben wurden, fuhren wir aufs Dorf. Dort lebten unsere Mütter mit unseren Geschwistern, die noch nicht schulpflichtig waren. Unsere Mütter bauten Felder an, mit deren Erzeugnissen (Manioc, Makabo; Bananen, Mais, Erdnüsse, Kochbananen, Süßkartoffeln, Kartoffeln, Okkra, Bitterleaf, Spinat etc …), sie uns in der Stadt versorgten. Während der Ferienzeit haben wir abwechselnd unserem Vater in seinem rund 25 Hektar großen Kakaoplantage geholfen und unseren Müttern bei ihren Feldern. Es war je nach Saison Anbau- oder Erntezeit. Damals gab es weder Strom noch fließendes Wasser. Um in der Nacht etwas sehen zu können, machten wir Feuer oder benutzten Petroleumlampen, Trinkwasser holten wir aus dem Brunnen mitten im Wald.

Es war die Zeit, in welcher das Vieh den ganzen Tag frei im Dorf herumlief und in der Dämmerung die Hütte aufsuchte.

Es war die Zeit, in der Versammlungen nicht via WhatsApp-Gruppen organisiert wurden, sondern noch mit der Trommel.

Es war die Zeit, in welcher weder Straßennamen noch GPS oder Navigationssysteme und Google Maps verfügbar waren. Die Zeit, in welcher Bäume, Farben, Häuser und Flüsse noch als Referenzen als Anhaltspunkte für die Orientierung dienten.

Es war die Zeit, in welcher es weder Internet noch Computer oder Handys gab, geschweige denn E-Mail-Adressen. Die Zeit, in welcher Briefe aus der Stadt von den Reisenden aus den fahrenden Autos heraus geworfen wurden, mit der Hoffnung, dass sie jemand irgendwann einmal findet.

Die Zeit, in welcher die Position der Sonne am Himmel als Indiz für die Uhrzeit diente.

Die Zeit, in welcher der bei Einbruch der Dämmerung krähende Hahn als Wecker galt.

Es war die Zeit, in welcher man um in die Stadt zu kommen tagelang am Straßenrand wartete, mit der Hoffnung, dass irgendwann ein Auto zufällig vorbeifuhr, das obendrauf noch bereit wäre einen mitzunehmen. Die Zeit der „eingeschränkten Mobilität.“ eben.

Es war die Zeit, in welcher man nicht Krankheit bedingt in eine lebensbedrohliche Situation gelangen dürfte, da es weit und breit kein Krankenhaus gab.

Die Zeit, in welcher Ekuk und Essingang alles heilten und sogar als Impfung fungierten.

Partizipation an Digitalisierung

Doch mit der Zeit stampften in der Stadt sogenannten Telefoncafés aus der Erde. Um mit uns ab und zu sprechen zu können, rief mein Bruder bei dem nicht weit von uns entfernt liegenden Telefoncafé an und machte einen Termin aus. Dann kam der Sohn des Inhabers zu uns und verkündete die frohe Botschaft; „Ein Anruf aus Übersee!“

Nach seinem Abitur kam mein älterer Bruder 1988 nach Dresden, um zu studieren. Damals dauerte es eine Ewigkeit, eher wir etwas von ihm hörten. Seine Briefe erhielten meine Eltern Monate später und vice versa. An telefonieren war überhaupt nicht zu denken.

Es war meistens in der Nacht, da das telefonieren nämlich dann günstiger wurde. Obwohl er aus Kostengründen immer nur ganz kurz mit einer Person telefonieren konnte, liefen wir dennoch alle zum Telefoncafé. So nach dem Motto: „Dabei sein ist alles“.

Im Jahr 1998 folgte ich meinem Bruder nach meinem Abitur nach Deutschland. Meine Sehnsucht nach meiner Familie brachte mich um meinen Appetit und beinahe um meinen Verstand. Mein Verlangen, mit meiner Familie zu telefonieren, um ihr näher zu sein war groß und ich rief entsprechend regelmäßig an. Dies kostete jedes Mal ein Vermögen. Denn so schnell wie die Telefonzelle die fünf D-Mark Münzen verschlang, konnte ich gar nicht sprechen. Dann kam die GoBananas-Calling Card und damit die Möglichkeit vergleichsweise „günstiger“ nach Übersee zu telefonieren.

Aber den wahren Segen brachte endgültig die Verbreitung des Smartphones, des mobilen Internets sowie der Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp nicht zuletzt dank der internetbasierten Telefonie. Seitdem kann ich unendlich lang mit meiner Familie nach Kamerun telefonieren, ohne mich dabei zu ruinieren.

Abgesehen davon, dass der Strom mittlerweile dort fließt, hat sich an Benebalot nichts geändert. Dies hindert das Dorf aber nicht daran, an Digitalisierung zu partizipieren. So haben die Smartphones die Trommel längs ersetzt, sodass Versammlungen nun dank des mobilen Internets und Smartphones auf WhatsApp organisiert werden. Ich kann meine noch im Dorf lebenden Familienmitglieder auch auf WhatsApp anrufen, Geldtransfers tätigen. Zudem können mittlerweile gesuchte Ziele mittels GPS Koordinaten auch ohne Straßennamen gefunden werden. Damit ermöglichen das Smartphone und das Mobile Internet die Teilhabe an Digitalisierung auch in entlegenen Dörfern.

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