Kamerun: Präsidentschaftswahl 2011 Bedrohung für Stabilität und Sicherheit
1.2. Deutsche Hinterlassenschaft
Obgleich die Kolonialisierung auf verschiedene Ursachen zurückzuführen war unter anderen Beispielweise die Pflicht zur Förderung der Entwicklung des Einheimischen, so war die Koloniebesitzung für die deutschen in erster Linie zurückzuführen auf dem Willen, dem Mutterland neue Quellen zuzuführen und neue Abflussgebiete zu verschaffen. Der Vorwurf, dass die Einheimischen „Unfähig“ gewesen seien, aus ihnen im Überfluss zur Verfügung stehenden natürlichen Reichtum Wert zu schöpfen rechtfertigte ihre Enteignung.
So existierte bei der Ankunft der Deutschen in Kamerun überhaupt keine Infrastruktur. Die Ausstattung des neu erworbenen Territoriums mit einer modernen Infrastruktur war somit eine unumgängliche Voraussetzung zur Realisierung der mit der Kolonialisierung verbundenen wirtschaftlichen Kalküle. Wie Albert Wirz dies betont: „Die militärisch-politische Besitznahme und der Aufbau einer kolonialen Verwaltungsorganisation mit ihr angeschlossenen Schulen und anderen sozialen Einrichtungen waren weder Agens noch Ziel, sondern lediglich unabdingbare Begleiterscheinungen einer als ökonomische Notwendigkeit erachteten Aktion, der es in erster Linie um Erschließung neuer Märkte […] und die Sicherstellung ihrer Versorgung mit tropischen Rohprodukten ging.“ Da die Kolonien nicht nur als Absatzmärkte – Textilwaren, Eisen- und Metallwaren, tierische Lebensmittel, Mineralstoffe, Getränke, Genussmittel, Geld, Instrumente, Bauholz, chemische Erzeugnisse, Stein und Glaswaren, Lederwaren, Seife , Waffen und Munition, Papier und Gummiwaren – fungierten, sondern auch als Rohstofflieferanten – Baumwolle, Kautschuk, Tropenhölzer, Rohölstoffe, Fette, Kakao, Elfenbein, Tabak und Kaffe, musste dafür gesorgt werden, dass der Bestand dieser verschiedenen Rohstoffe, die maßgeblich zum wirtschaftlichen Wachstum des Mutterlandes beitrugen stets gewährleistet blieb.
Aus diesem Grund begannen die Deutschen, sobald die Besitznahme Kameruns abgeschlossen war, mit einer Inventarisierung der Bodenschätze Kameruns, stellten Forschungseinrichtungen auf und nahmen die Modernisierung des Territoriums auf, indem sie verschiedene Plantagen kreierten, den Wald ausbeuteten, Verkehr- und Kommunikationseinrichtungen eröffneten. Dabei wurde der Agrarwirtschaft die oberste Priorität eingeräumt. So dass einen Anstieg der Ausfuhr der cash-crops um 6 Millionen Mark von 10 Millionen Mark im Jahre 1906 auf fast 16 Millionen im Jahre 1907 verbucht werden konnte. Um den hohen Bedarf an Agrarerzeugnisse decken zu können, musste die Produktion maßgeblich gesteigert werden. Dies setzte jedoch das Vorhandensein entsprechenden Kapazität an Arbeitskräften voraus. Aufgrund der niedrigen Bereitschaft der Einheimischen den Deutschen ihren Diensten freiwillig zur Verfügung zu stellen, wurden diesen teilweise zwangsrekrutiert.
Die von Deutschland benötigten Rohstoffe wurden somit von den Einheimischen angebaut und nach Deutschland ausgeführt. Es entstanden binnen weniger Zeit unter anderem Bananen-, Kaffee-, Kakao-, Tabak-, Baumwoll- und Kautschukplantagen. Bis 1904 wurden auf insgesamt 50.000 ha angebaut. Bis Anfang 1913 stieg die Zahl der europäischen agrarischen Unternehmen rasant. parallel wurde der Bergbau intensiviert und immensen Summen in die Erdölförderung investiert. Letztere müsste aufgrund des Aufbruchs des Ersten Weltkrieges unterbrochen werden und blieb deshalb erfolglos. Wurde in den ersten Jahren alles von Trägern auf den Kopf transportiert, so stellte sich bald die Frage nach effektiveren und produktiveren Transportmöglichkeiten. Die Autobahn Kribi-Yaounde war die erste Kameruns und wurde 1912 fertig gestellt. Bis 1914 entstanden weitere Autobahnen, die die wichtigsten Regionen miteinander verbanden. Die Eisenbahn wurde am 11. April 1911 eröffnet und bis zum Aufbruch des Ersten Weltkrieges 1914 auf 173 km ausgebaut. Mehr als 5000 Arbeiter arbeiteten dort unter schwerste unsägliche Bedingungen. In Douala wurde bis 1910 ein Bahnsteig mit einer Gesamtlänge von 110 Meter angelegt. Die Häfen von Victoria, Tiko und Kribi wurden eingerichtet und die Telekommunikation ausgebaut. So wurden neben telegraphische auch telephonische Verbindungen verlegt. Auf der sozialen Ebene wurden Krankenhäuser gebaut und die bereits bestehenden Missionarschulen durch öffentliche ergänzt. Die erste Missionarschule wurde bereits 1886 zwei Jahre nach der Besitznahme Kameruns durch den Gouverneur von Soden in Douala gebaut. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges zählte das öffentliche deutsche Bildungswesen schließlich 833 Schüler. Ab 1888 flogen kamerunische Abiturienten nach Deutschland, um dort zu studieren.
Zusammenfassend, kann an dieser Stelle gesagt werden, dass, wenn auch um ihr eigenes Wohlergehen und die Notwendigkeit der kapitalistischen Entwicklung des Mutterlandes besorgt , die deutschen Kolonialherren, trotz der repressiven Methoden und die daraus resultierende „Entwurzelung“ und Destabilisierung der traditionellen kamerunischen Völker, mehrere positive externe Effekte für Kamerun mit sich brachte und einen Anstoß für die kamerunische Entwicklung gab bis sie durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Deutschland mit dem Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 allen seine Kolonien entzogen. So gingen die deutschen Kolonien Togo, Tanganjika, Ruanda und somit auch Kamerun als Mandatsgebiete des Völkerbundes in das Treuhandsystem dieses Bundes über.
Fortsetzung folgt…